Ende der Kirchensteuerpflicht im Kanton Uri nach Kirchenaustritt

Im Kanton Uri steht die Festlegung im kantonalen Steuergesetz im Widerspruch zur Rechtssprechung des Bundesgerichts. Diese in der Schweiz einmalige Widersprüchlichkeit wird im Folgenden beleuchtet.

Im Steuergesetz des Kantons Uri heisst es: "Für steuerpflichtige Personen, die aus der Kirche austreten, endet die Kirchensteuerpflicht am Ende der Steuerperiode, in der sie die schriftliche Erklärung über den Austritt der zuständigen Landeskirche oder deren Kirchgemeinde erklärt haben."
⇒ Deshalb wird die Veranlagungsverfügung vom Steueramt so erstellt, dass bei einem Kirchenaustritt im Verlauf des Jahres 20XX die Kirchensteuerpflicht noch bis 31.12.20XX gilt.

Dies steht im Widerspruch zum Bundesgerichts-Entscheid 104 IA 79 von 1978: "Eine kantonale Regelung, wonach der Austretende die Kirchensteuer noch für das ganze laufende Jahr zu bezahlen hat, verstösst gegen Art.49 Abs.6 BV. Die Kirchensteuer darf nur noch pro rata temporis bis zum Kirchenaustritt erhoben werden" (Anmerkung: Art.49 bezieht sich auf die Religionsfreiheit, welche in der neuen Bundesverfassung von 1999 nun in Artikel 15 zugesichert wird.)
⇒ Demnach darf nach dem Kirchenaustritt die Kirchensteuer nur noch eingezogen werden für den Teil der tatsächlichen Kirchen-Mitgliedschaft innerhalb des Steuerjahres (Steuerperiode).

Normalerweise fliessen Anpassungen an die bundesgerichtliche Rechtsprechung bei der nächsten Gesetzes-Revision ein, im Falle der Kirchensteuerpflicht bis Jahresende hat dies der Kanton Uri (anders als alle anderen betroffenen Kantone) in den vergangen Jahrzehnten aber nie getan. Ein Versäumnis, welches es zu beheben gilt.

Dass das Steueramt für das Jahr des Kirchenaustritts die Veranlagungs­verfügung mit Kirchensteuerpflicht bis Jahresende erstellt, ist keine Rechtsverletzung, sondern es ist die vorgabengetreue Umsetzung der kantonalen Gesetzgebung.
⇒ Für die Korrektur entsprechend dem Bundesgerichts-Entscheid hat die ausgetretene Person gegen die Veranlagungs­verfügung Einsprache zu erheben, damit die Abrechnung entsprechend der bundesgerichtlichen Rechtsprechung erfolgt (gemäss Auskunft der Urner Finanzdirektion Befreiung rückwirkend auf 1.1. des Jahres in welchem der Kirchenaustritt erfolgt ist ! ⇒ unten Update für Steuerjahr 2017 beachten ! ).

Externer Link ◽ Gesetz über die direkten Steuern im Kanton Uri
▶ 3.2211 2013 - Artikel 16 - Kirchensteuern

 
UPDATE 27.12.2017

Das Warten auf den Rechtsnachvollzug zum Bundesgerichts-Entscheid 104 IA 79 von 1978 könnte nun bald ein Ende haben: Die Korrektur betreffend Kirchenaustritt und Kirchensteuer ist Teil der anstehenden Teilrevision des Gesetzes über die direkten Steuern und ist nun in der Vernehmlassung. Bei Annahme in der Volksabstimmung tritt der revidierte Artikel 16 am 1. Januar 2019 in Kraft.

Artikel 16 Absatz 2 BISHER:
"Für steuerpflichtige Personen, die aus der Kirche austreten, endet die Kirchensteuerpflicht am Ende der Steuerperiode, in der sie die schriftliche Erklärung über den Austritt der zuständigen Landeskirche oder deren Kirchgemeinde erklärt haben."

Artikel 16 Absatz 2 NEU:
" Für steuerpflichtige Personen, die aus der Kirche austreten, endet die Kirchensteuerpflicht am Tag nachdem sie die schriftliche Erklärung über den Austritt der zuständigen Landeskirche oder deren Kirchgemeinde erklärt haben. Für steuerpflichtige Personen, die der Kirche beitreten, beginnt die Kirchensteuerpflicht am Tag nachdem sie die schriftliche Erklärung über den Eintritt der zuständigen Landeskirche oder deren Kirchgemeinde erklärt haben."

Externer Link ◽ Gesetz über die direkten Steuern im Kanton Uri
▶ Teilrevision auf den 1. Januar 2019

 
UPDATE 08.02.2018

Grundsätzlich gilt nach wie vor das Gesetz über die direkten Steuern im Kanton Uri von 2010, wonach das Amt für Steuern die Kirchensteuer ganzjährig berechnet, also bis zum Ende des Jahres, in welchem der Kirchenaustritt erfolgt ist. Für eine Korrektur entsprechend dem BGE ist weiterhin eine Einsprache notwendig, siehe oben.

Änderung für 2017: Nachdem für das Steuerjahr 2016 gemäss Auskunft des Amt für Steuern auf Einsprache hin die Befreiung für das Jahr des Kirchenaustritts noch rückwirkend auf den 1.1. erfolgte, lautet die Auskunft für das Steuer­jahr 2017 nun, die Korrektur werde ".. pro Rata (auf den Tag genau des uns schriftlich vorliegenden Kirchenaustritts), keinesfalls ab 1.1. .." gemacht.

Ein zwingender Grund für diese Praxis-Änderung ist nicht ersichtlich, möglicherweise will man sich damit im Voraus dem Gesetzestext (siehe oben "Artikel 16 Absatz 2 NEU") angleichen, welcher in der Vernehmlassung war.

 
UPDATE 28.09.2018

Es geht voran, die angeregte Änderung des Urner Steuergesetzes kommt nun am 25.11.2018 zur Volkabstimmung. Beschreibung der Kirchensteuer-Änderung in der Abstimmungs-Botschaft:
"Austritt aus der Kirche: Die aktuelle Bestimmung steht gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung** im Widerspruch zur Bundesverfassung (BV; SR 101). Neu endet die Steuerpflicht mit dem Austritt aus der Kirche und es erfolgt eine pro rata temporis-Besteuerung."
** genauer gesagt Bundesgerichts-Entscheid 104 IA 79 von 1978(!)

 
UPDATE 26.11.2018

Die Änderung des Gesetzes über die direkten Steuern im Kanton Uri wurde bei der Abstimmung mit 76 Prozent Ja-Stimmen angenommen. Ab 2019 wird das Steueramt die Kirchensteuer nach einem Kirchenaustritt nur noch bis zum Austritts-Datum in Rechnung stellen. Ob das Steueramt für Kirchenaustritte des Jahres 2018 nochmals bis 31.12. Kirchensteuer verrechnet, muss noch geklärt werden.

 
UPDATE 30.01.2019 (Abschluss)

4 Jahre und viel Arbeit, bis nun auch der Kanton Uri das eingangs erwähnte Versäumnis behoben hat und die verfassungskonforme Kirchensteuer-Berechnung ab Anfang 2019 in seiner Gesetzgebung umgesetzt hat.

Noch ein letztes Mal wird 2019 das Amt für Steuern bei einem Kirchenaustritt im Jahr 2018 die Kirchensteuer bis zum Jahresende 31.12.2018 für die Kirche einziehen. Noch einmal wird deshalb für eine Korrektur entsprechend dem BGE also eine Einsprache notwendig sein: Wer nach einem Kirchenaustritt im Jahr 2018 von seinem Recht Gebrauch machen will, kann gegen die Veranlagungsverfügung Einsprache erheben und das Amt für Steuern wird dann eine neue Veranlagungsverfügung erstellen mit der entsprechenden Reduktion des Steuerbetrags.