Ohne den Missbrauch, da war sich Bernd sicher, wäre sein Leben völlig anders verlaufen.
Bernd war eines von nicht wenigen Missbrauchsopfern, die ein Leben lang unter den Folgen der Taten litten. Seine Geschichte beginnt in Wilhelmshaven, wo er als Messdiener in der katholischen Christus-König-Kirche tätig war. Als Kind vertraute er dem Priester, der ihn statt zu beschützen, schwer traumatisierte.
Sonntags durfte er vor dem Gottesdienst zu Pfarrer N. in die Wohnung, zum Frühstücken. Eine Auszeichnung. Allerdings wurde da nicht gefrühstückt.
Jahrzehnte später kämpfte Bernd verzweifelt darum, diese Vergangenheit aufzuarbeiten und Anerkennung für das erlittene Leid zu erhalten.
Die Erschütterung blieb, und sie machte Beziehungen für Bernd unmöglich. Er blieb allein, arrangierte sich mit der Ohnmacht, den vagen Erinnerungen, die ihn überfluteten, wenn er es am wenigsten erwartete.
Er blieb sein Leben lang allein. Seine Seele gezeichnet von Depressionen, Schlafstörungen und physischen Erkrankungen wie Diabetes und Krebs. Doch trotz aller gesundheitlichen und emotionalen Belastungen gab er den Kampf nicht auf. Später wandte er sich an den kirchlichen Missbrauchsbeauftragten, doch die Antworten, die er erhielt, waren dürftig. Der Priester, der ihn missbraucht hatte, verweigerte die Zusammenarbeit und wurde von der Kirche weitgehend verschont.
Bernds Leben war ein ständiges Ringen um Gerechtigkeit. Er forderte eine Entschuldigung und eine angemessene Entschädigung, doch was er erhielt, war weit entfernt von einer Wiedergutmachung. Für ihn war klar, dass sein Leben ohne den Missbrauch ganz anders verlaufen wäre – er hätte eine Familie gehabt, Kinder, ein glückliches Leben. Doch diese Zukunft war ihm verwehrt geblieben.
Bernd setzte sich unermüdlich für die Aufklärung seiner Geschichte ein, doch bis zu seinem Tod blieb vieles ungesagt und unerledigt. Sein Schicksal steht exemplarisch für das Leid vieler Missbrauchsopfer, die nicht nur mit den Folgen der Taten kämpfen, sondern auch mit einem System, das zu lange weggeschaut hat.
Irgendwann nahmen Bernds Eltern ihren Sohn aus der katholischen Kirche heraus. Hatte jemand die Eltern über die Schandtaten des Pfarrers informiert?
Kurz vorm Tod der Eltern versuchte er noch mal, sie zum Reden zu bewegen. Vergeblich.
In einem letzten verzweifelten Versuch, Frieden zu finden, rief er an Heiligabend den inzwischen gealterten Priester an und schrie ihn an. Für einen kurzen Moment fühlte er sich befreit, doch diese Genugtuung währte nicht lange. Drei Stunden später erlitt er einen Herzinfarkt.
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Missbrauch in der katholischen Kirche – Bernds Vermächtnis