Der Tagesanzeiger beleuchtete die Situation der steigenden Zahl der Austritte aus der Kirche „Kirchenaustritte erreichen jetzt auch die hintersten Winkel der Schweiz“, spezifisch auch hinsichtlich der Problematik Missbrauch in der katholischen Kirche.
tagesanzeiger.ch: Internetportale helfen beim KirchenaustrittDieser Tagesanzeiger-Artikel flechtet zwei Themen ineinander, was für die Lesenden etwas unklar in der Aussage wirken kann. Einerseits geht es um das konkrete Einreichen des persönlichen Kirchenaustritts (Gegenüberstellung Gratis-Möglichkeiten und kostenpflichtiger Service), andererseits generell um die stark gestiegene Zahl der Kirchenaustritte in der Schweiz. Die nachfolgende Darstellung bezieht sich auf das das konkrete Einreichen des eigenen Austritts.
Journalistisch gekonnt geht es gleich im Untertitel schon knackig zur Sache: „Der Kirchenskandal ist geradezu ein Segen für Internetportale, die gegen Geld beim Kirchenaustritt helfen. Sie verzeichnen eine Rekordnachfrage.“
Hier muss man aber klar und deutlich sagen: Das Bild der grossen Freude über den „Geldsegen“ ist stark verzerrt, es ist keineswegs eine Freude die schrecklichen Meldungen über die Missbrauchsvorfälle zu hören. Und wichtig zu betonen: Eine Rekordnachfrage kommt nicht durch geldgieriges Ködern von Kundinnen und Kunden zustande, sondern durch fluchtartige Reaktionen nach Negativschlagzeilen bei der Kirche.
In der Folge wird das Angebot dann etwas detaillierter dargestellt: „Einen Kirchenaustritt im Eilverfahren und ohne administrative Mühe, das versprechen Schweizer Internetdienste wie Austritt.ch. Es scheint sich dabei um das Angebot der Stunde zu handeln, jedenfalls macht derzeit eine Rekordzahl von Schweizerinnen und Schweizern davon Gebrauch“.
An Nutzen und Qualität zweifelt der Autor demnach nicht. Einen bedeutsamen Kritikpunkt sieht der Autor aber beim Preis von rund 30 Franken „(…) der entsprechende Service nicht für Gotteslohn offeriert wird“, womit der Autor also (aus nicht näher erläuterten Gründen) den Standpunkt vertritt, dass die Kirchenaustritts-Dienstleistung gratis angeboten werden müsste.
Der Autor hat dabei übersehen, dass diese Dienstleistung neutral und unabhängig von der Kirchen angeboten wird. Es handelt sich um ein Angebot zur administrativen Unterstützung, weil seitens der Kirchen kein einheitliches, klarer Austrittsverfahren geboten wird und es die Kirche unterlässt, die Mitglieder ausreichend in Kenntnis zu versetzen betreffend dem Kirchenaustritts. Es gibt nicht irgendwelche „anti-christlichen“ Sponsoren oder Gruppierungen welche, den Arbeitsauswand für dieses Dienstleistung finanzieren. Wie sonst auch üblich, gilt auch hier: Die Personen, welche die Dienstleistung in Anspruch nehmen, bezahlen für die Dienstleistung.
Um die These zu untermauern, dass die kostenpflichtigen Angebote eigentlich überflüssig seien, folgt dann weiter unten „Tatsächlich ist es in der Schweiz in der Regel problemlos möglich, ohne Hilfe und ohne kostenpflichtige Vorlagen aus der Kirche auszutreten“, ergänzt mit einer Gratis-Kurzanleitung.
Nun gut, aber Gratis-Info ist in keiner Weise gleichwertig zur Kirchenaustritts-Dienstleistung von Austritt.ch, was Tamedia hier in der Box „So treten Sie ohne Kosten aus der Kirche aus“ präsentiert ist nichts neues, ähnliches ist schon seit langem an vielen Orten im Internet publiziert. Das grundsätzliche Problem an solchen (zumeist lückenhaften und gelegentlich fehlerhaften) Basis-Angaben zum Austritts-Verfahren ist, dass damit noch längst kein fertiger Austrittsbrief zum Absenden bereit ist. Davor gibt es noch Arbeit zu erledigen – oder man lässt es sich eben erledigen für 30 Franken.